Am 8. September 2018 startete das Netzwerk der “Demo für Alle” die zweite Tour mit ihrem selbsternannten “Bus der Meinungsfreiheit”.
Vorstandsmitglied Markus Apel war an diesem Tag stellvertretend für den Landesverband in Regensburg und beobachtete beide Kundgebungen. Am Ende des Tages schrieb er einen persönlichen Erfahrungsbericht über seine Erlebnisse vor Ort.
Hier der Bericht als PDF-Dokument
“Am 8. September 2018, gegen 13 Uhr fährt der Bus der selbsternannten „Demo für Alle“ an den Regensburger Dom heran. Empfangen wird er von einigen Polizist*innen, Metallgittern und Sonnenschein. Knapp 100 Meter Leere trennen das Fahrzeug von der Stadtgesellschaft.
An einer Absperrung, haben sich ca. 400 Protestierende zusammengefunden, unter denen auch ich mich befinde. Der überdimensionale Abstand zum Hauptgeschehen bewirkt, dass sich laute Zurufe und kleine Pfeifkonzerte formieren. Bereits da wird mir klar, dass eine breite Diskussion zwischen beiden Seiten an diesem Tag nicht stattfinden wird. Sie wurde durch die visuelle Trennung schlichtweg unmöglich gemacht. Sie wurde verhindert.
Mit bunten Schildern, T-Shirts und Ballons steigen knapp 20 Leute aus dem orangefarbenen Bus. Über Ihnen der Satz „Stoppt übergriffigen Sex-Unterricht!“ in großen weißen Buchstaben. Eine Frau, die ich als Hedwig von Beverfoerde identifizieren kann, beginnt über ein Mikrophon zu sprechen. Sie ist nicht zu verstehen. In mir steigt das Interesse zu hören, was dort gesagt wird. Ich möchte hören, ob diese Menschen etwas zu sagen haben.
Ich nehme mir meine Tasche, drehe mich um und laufe zu einer Polizistin, die mir sagt, ich solle um das anliegende Gebäude herumlaufen, um zur Demo zu gelangen. Auf dem Weg dorthin treffe ich auf eine Mutter mit einem Kind auf ihrem Arm. Sie kommt mir gleich bekannt vor und wir erkennen uns wieder. Wir hatten uns am diesjährigen Christopher-Street-Day in Regensburg am Infostand des LSVD Bayern getroffen. Sie ist ebenfalls Verbandsmitglied.
Wir kommen kurz ins Gespräch. Sie erzählt mir, dass sie heute hier mit ihrem Sohn gegen die Haltung der „Demo für Alle“ Gesicht zeigen will. Dass Sie allerdings wegen dem Kind und der Lautstärke ein wenig Abstand zur Kundgebung halten muss.
Ich komme an einer zweiten Metallabsperrung zum Stehen. Hinter ihr, haben sich ebenfalls einige junge Menschen mit Regenbogenflaggen und Schildern zusammengeschlossen. Sie werden von drei Polizisten überwacht. Der Bus ist schon zu sehen und ich gehe auf einen der Beamten zu. Er stellt sich mir in den Weg.
Ich sage ihm, dass ich gern zu dieser Kundgebung möchte. Er sieht verwundert an mir herab und fragt: „Sind Sie dafür oder dagegen?“.
Ich bin irritiert und frage nach: „Wofür oder wogegen?“. Der Polizist wiederholt seine Frage: „Sind Sie hier dafür oder dagegen?“. „Woher soll ich das jetzt schon wissen? Ich möchte mir diese Kundgebung ansehen. Das ist eine öffentliche Versammlung, wenn ich richtig informiert bin.“, erwidere ich. Er nickt und lässt mich vorbei.
Auf mich wirkt die Gruppe wie eine große, eine etwas zu glückliche Familie. Ein Lächeln hier, eine Umarmung dort. Man ist sich seiner Sache sicher. Doch auch diese Familie hat ein dunkles Familiengeheimnis. Ein „Geheimnis“ von dem alle wissen, über das aber niemand wirklich sprechen will. Eine Geschichte die hier mit weißen Westen zur Schau gestellt wird.
Ich spreche eine Frau neben mir an und frage, ob sie zu diesem Bus gehört. Sie verneint das und erzählt mir, dass sie heute extra aus Nürnberg angereist ist, um diese Aktion zu unterstützen. Wir gehen zur Seite und unterhalten uns. Die Stimmung ist locker, aber nicht zu entspannt. Sie erzählt mir von ihren Ängsten in Bezug auf die hier angemahnten Aufklärungsmethoden, von ihren Kindern und Enkelkindern, die so etwas „Gott sei Dank“ noch nie erlebt haben. Sie spricht über ein angeblich existierendes globales „LSBTIQ*-Manifest“, über das, was sie als Krankenschwester in einer proktologischen Abteilung ab und zu bei männlichen Patienten mitbekommt und darüber, welche positiven Erfahrungen sie in ihrem Freundeskreis mit queer-lebenden Bekannten macht. Wir unterhalten uns über ihren Glauben und fragen uns, wann diese Unterhaltung so ausgeufert ist.
Sie regt sich über die Lautstärke der Gegenkundgebung auf und sagt, sie hätte Angst, jetzt zum Diskutieren dorthin zu gehen. Wir stimmen uns zu, dass diese Aktion für die Wahrnehmung beider Seiten nicht förderlich ist. Sie fragt sich, wie die Leute der „Demo für Alle“ überhaupt diesen Bus und die Reise finanzieren. Ich kläre sie über Berichte zu Verbindungen des Netzwerks nach Russland, zur sogenannten „Alternative für Deutschland“ und zu anderen Rechtsextremen auf. Bei dem Wort „AfD“ schreckt sie auf: „Die AfD? Die finde ich ja ganz schrecklich. Zu denen werde ich niemals gehören. Was haben die denn hiermit zu tun?“. Ich deute auf einen Mann in der Mitte des Geschehens und sage: „Sehen Sie diesen Mann dort? Das ist ein AfD-Politiker. Genau das, haben die beiden miteinander zu tun.“
Die Frau hat sich vorgenommen, heute mit der Hauptfigur des Ganzen, mit Hedwig von Beverfoerde zu sprechen. Auch ich habe das nun vor. Sie läuft durch die kleine Gruppe und bringt sie zu mir. Ich bitte um ein Vier-Augen-Gespräch.
Entgegen meiner Erwartung, welch wütende Reaktion unser Aufeinandertreffen bei mir auslösen würde, empfinde ich absolut nichts, als wir uns die Hand geben.
Nachdem wir uns kurz über die gescheiterte Ton-Technik bei ihrer Rede unterhalten, frage ich sie, ob sie diese räumliche und akustische Situation der Kundgebungen als gelungen empfindet. Sie meint, dass bei dem Gebrüll und Gepfeife der Gegenproteste keine Diskussion entstehen kann. Ich stimme ihr zu und frage mich gleichzeitig, wie dies, auch ohne hohe Laustärke, mit knapp 100 Metern Abstand funktionieren soll.
Von Beverfoerde erzählt mir davon, dass der „Einfluss der Homo-Lobby“ unmöglich sei und dass doch niemand diese Aufklärungsmethoden in Kitas und Schulen als gut empfinden kann. Ich erwidere: „Sie wissen schon, wer vor zwei Jahren in das Bayerische Kultusministerium eingeladen und angehört wurde, oder? Das waren Vertreter*innen ihres Netzwerks. Der Einfluss von Minderheiten in diesem Land liegt bei genau 0 %.“. Weiter: „Sie sollten diese Gelegenheit heute nutzen und mit den Lehrer*innen auf der anderen Seite sprechen. Die wehren sich nämlich massiv gegen Ihre Behauptungen, wie angeblich aufgeklärt wird.“
Ich frage sie, warum es nicht möglich ist, solche Gespräche zwischen beiden Positionen öffentlich zu führen. Sie entgegnet mir, dass sie nicht glaubt, dass dies etwas bringen würde. Sie sagt, dass „wir“ (deutet auf Gegendemonstrant*innen) uns erstmal ein wenig auf sie zubewegen sollten. Es gäbe immer wieder digitale Hass-Kommentare und reale Angriffe auf Aktive des Netzwerks. So lange „wir“ uns nicht dafür entschuldigen, sieht sie keinen Sinn in einem solchen Dialog.
Wir verabschieden uns voneinander. Meine vorherige Gesprächspartnerin verabschiedet sich nun auch und ich kehre dem Bus den Rücken.
Auf meinem Rückweg versuche ich ein erstes Fazit zu fassen und beginne Schritt für Schritt damit, Hedwig von Beverfoerde und ihr Handeln zu verachten. Die eigentlichen Anliegen und Ängste dieser Gruppe sind mit politischer Propaganda, religiösem Fanatismus und Menschenfeindlichkeit beschmutzt. Für mich steht fest: Wer sich von Rechtsextremen finanzieren und sie in der Öffentlichkeit für sich sprechen lässt, muss sich dann nicht über entsprechend laute Zurufe und Widerstand wundern.
Mir wird klar: So lang Beverfoerde und die Menschen ihres Netzwerks nicht differenzieren können, muss sich kein ganzer Bevölkerungsteil auf sie zubewegen, geschweige denn entschuldigen. Ich hoffe, dass dies ihre Abschiedstour sein wird.” – Markus Apel
(Mittelbayerische / 8.September 2018 / Ein kurzer Ausschnitt aus dem Redebeitrag von Markus Apel bei der Gegenkundgebung.)
Fürstin unterstützt kontroverse Demo (Artikel mit Liveticker, Mittelbayerische, 8. September 2018)