Zwischen Erinnerung und Verantwortung


Heute, am 27. Januar, ist Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust und des Nationalsozialismus. An diesem Tag wurde 1945 das Vernichtungslager Auschwitz befreit, welches weltweit wie kaum ein anderer Ort zum Synonym für die Verbrechen der Nazis und den Holocaust an Millionen europäischen Juden wurde.

Das Holocaust-Mahnmal in Berlin (© pixabay auf Pexels)

Der LSVD Bayern e.V. gedenkt heute derer, die die nationalsozialistische Ideologie zu Feinden erklärte und verfolgt hat und derer, die während der verbrecherischen und mörderischen NS-Diktatur entrechtet, gefoltert und ermordet wurden: den europäischen Jüd:innen, den Sinti und Roma, den Kranken und Behinderten, den Zwangsarbeiter:innen, den aus politischen oder religiösen Gründen Verfolgten und den homosexuellen Frauen und Männern.

Als Bürger:innenrechtsverband, welcher sich insbesondere für die Interessen und Belange von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans* und intergeschlechtlichen Menschen einsetzt, möchten wir den heutigen Gedenktag zum Anlass nehmen, um an die tausenden homosexuellen Frauen und Männer zu erinnern, die der NS-Verfolgung zum Opfer gefallen sind. Die genaue Zahl der homosexuellen Opfer ist leider nicht zu ermitteln. Die Gesamtzahl der unter der Hitler-Diktatur verurteilten Homosexuellen dürfte aber, laut Prof. Schwartz vom Institut für Zeitgeschichte weit höher liegen, „da insbesondere weibliche Homosexuelle nach den Ersatzparagrafen zur Prostitution oder als ‚Asoziale‘ verurteilt wurden“. Der LSVD Bayern weist darauf hin, „dass nicht wenige lesbische Frauen Opfer von KZ-Haft wurden, in der sie allerdings nur selten als Lesben in den SS-Akten vermerkt wurden.“ Angesichts dessen ist es unabdingbar, die Unsichtbarkeit der Verfolgung von Lesben zu thematisieren und darauf zu drängen, dass Forschung und Lehre den unbeantworteten Fragen zu Leben, Verfolgung und Ermordung lesbischer Frauen im Nationalsozialismus weiter nachgehen. In dem Zusammenhang muss auch erwähnt werden, das die Situation von trans- und intergeschlechtlichen Menschen im Nationalsozialismus noch weitgehend unerforscht ist.

Die rund 5.000 bis 6.000 Männer, die ausdrücklich als Homosexuelle in den Konzentrationslagern inhaftiert und mit einem eigens „Rosa Winkel“ stigmatisiert wurden, stellten im Lagersystem der NS-Diktatur nur „eine winzige Minderheit“ dar. Aber gerade diese Tatsache erhöhte jedoch die Lebensgefahr, denn die Homosexuellen waren nicht nur der Brutalität der SS-Wachmannschaften ausgesetzt, sondern ebenso den „Ressentiments innerhalb der Lagergesellschaft“, wo Mithäftlinge „ihnen das Leben oft genug zur Hölle“ machten. Einen Schutz durch Gruppenzusammenhalt gab es aufgrund der geringen Zahl der Homosexuellen nicht und infolgedessen überlebten viele die KZ-Haft nicht. Ihre Todesrate wird auf zwischen 50 bis 80 Prozent geschätzt.

Und noch lange nach Ende der NS-Diktatur wurde Homosexuellen, die durch die Nazis  verfolgt und ermordet wurden,  die Anerkennung als Opfer des Faschismus verweigert.  Homosexuelle Opfer der NS-Diktatur hatten lange keine Stimme und die junge Bundesrepublik hatte das Verbot sexueller Handlungen unter Männern in der verschärften Version des NS-Regimes bis 1969 unverändert übernommen. Erst 1994 wurde der berüchtigte Paragraf 175 endgültig abgeschafft. Und auch heute müssen wir als LSVD Bayern leider feststellen, dass es trotz aller Fortschritte in Richtung Gleichstellung und Akzeptanz immer noch Entmenschlichung und Abwertung gibt, die es zu bekämpfen gilt.

Und so möchten wir mit den Worten des Holocaust-Überlebenden Max Mannheimer enden, welche für uns eine besondere Verpflichtung bedeuten: „Ihr seid nicht verantwortlich für das, was geschah. Aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon“. Dafür werden wir uns als LSVD Bayern mit all unseren Kräften einsetzen.

– Alexander Irmisch, LSVD Bayern Landesvorstand, zuständig für den Bereich Arbeit und Soziales, sowie für das Thema Flucht.