Queere Freiheit im Tanz


Die Choreografin Anna Konjetzky lebt seit vielen Jahren in München und ist sowohl national als auch international aktiv. Mit der „Nomadischen Akademie“ hat sie ein Projekt ins Leben gerufen, dass sich künstlerisch mit Räumen, Grenzen und Gemeinschaft beschäftigt, auch im queeren Kontext. Im Gespräch mit Landesvorstand Markus Apel spricht sie über normative Erwartungen und die Macht des Tanzens.

Anna Konjetzky: “Playground Opening” / Foto: Gabriela Neeb

M: Sie haben die Nomadische Akademie gegründet. Was war Ihnen bei der Gestaltung der Arbeit der Akademie besonders wichtig?

A: Für mich ist das große Thema der Akademie, Zwischenräume zu beleuchten, in sie hinein zu gehen, sie zu erforschen und dadurch Grenzen aufzulösen. Dafür ist es nötig, über Gruppenzugehörigkeit ins Gespräch zu kommen und so gesellschaftliche Verantwortung füreinander zu übernehmen und zu teilen. Wir leben in einer Gesellschaft, deren Strukturen sehr hierarchisch und abgegrenzt angelegt sind – wer macht welchen Job, wer trägt wofür Verantwortung – eine “shared responsibility” ist uns eher fremd.

Außerdem finde ich die Möglichkeit, sich länger mit einem Thema auseinanderzusetzen, es von unterschiedlichen Seiten zu beleuchten, mit unterschiedlichen Leuten daran zu forschen, ohne daraus direkt ein Stück zu machen, ganz großartig und inspirierend. Wir können jetzt drei Jahre lang mutig sein.

Wie erleben Sie in Ihrer Arbeit, den Umgang mit queeren Menschen und Themen?

Das Schöne im Tanz und Kunstbereich ist es, oft mit sehr unterschiedlichen Menschen zu tun zu haben und mit vielen queeren Leuten zusammenzuarbeiten.

Ich hatte jetzt gerade im Oktober in Shanghai bei einem Gastspiel von meiner Produktion „chipping“ eine sehr schöne Erfahrung: Im Publikumsgespräch meldete sich eine Frau zu Wort, die zur Tänzerin Sahra Huby sagte, sie hätte die ganze Zeit gar nicht gewusst, ob sie eine Frau oder ein Mann ist. Sie dachte dann, dass sie ein Mann sein muss, da sie bis zum Ende des Stückes so kraftvoll war. Worauf hin wir natürlich darüber ins Gespräch kamen, dass kraftvoll ja keine männliche Eigenschaft ist. Es war Teil des Konzepts, dass es nicht wichtig ist zu wissen, ob gerade eine Frau oder ein Mann tanzt. Das Geschlecht sollte überhaupt keine Rolle spielen.

Wurden Sie schon einmal diskriminiert?

Ja. Ich wurde schon angespuckt und getreten für meine Queerness. Das war 2003 in Brüssel, da gab es mehrmals unschöne Begegnungen mit Männern, die mich und meine Freundin (inzwischen Frau) angriffen.

Denken Sie, dass Kunst und insbesondere Tanz, Menschen dabei helfen kann, selbstbewusster mit der eigenen Identität umzugehen? Welche Rolle spielt der Körper dabei?

Kunst und Tanz können auf jeden Fall helfen, präsenter im eigenen Körper zu sein, seinen Körper stärker wahrzunehmen und sich dadurch stark zu fühlen. Es wird auch von den sogenannten „Softskills“ gesprochen, Wissen und Fähigkeiten, die der Körper hat, die momentan gesellschaftlich sehr gefordert sind. Etwa eine emotionale Intelligenz, Einfühlungsvermögen und Empathie.

Kann Tanz Menschen für queeres Leben interessieren und sensibilisieren?

Ja. Ich denke Tanz und Kunst schlagen Alternativen vor. Alternative Körper, alternative Sichtweisen, alternative Begegnungsformen. Und wenn es funktioniert, dann sehr unmittelbar. Nicht als etwas Theoretisches, sondern als etwas Sinnliches. Im besten Falle macht das Menschen durchlässiger für Nicht-Normatives.

Was macht für Sie eine Gemeinschaft aus, in der queeres Leben uneingeschränkt möglich ist?

Eine Gemeinschaft, die nicht dogmatisch funktioniert, die Raum für Andersartigkeit schafft.

Anna Konjetzky (© privat)

https://www.annakonjetzky.com
http://nomadic-academy-ak.com

Für Interessierte gibt es im Dezember zwei Möglichkeiten um der Arbeit der Akademie und dem Tanzen selbst näher zu kommen:

17.12./18:00     Nomadic training / Tanztraining für alle Interessierten im PLAYGROUND

17.12./21:00     Nomadic party mit GodXXX Noirphiles / Party im PLAYGROUND

Beides findet in den LABOR ATELIERS, Studio 3, Dachauerstr. 112d mit freiem Eintritt und kurzer Anmeldung über info@nomadic-ak.com statt.

Anna Konjetzky: “The very moment” / Fotografin: Gabiela Neeb